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Grüner Schnitt: Wie „The Colored Cut" Nachhaltigkeit in den Friseursalon bringt


Der Frisierumhang besteht aus recycelten Plastikflaschen, die Haarprodukte sind garantiert tierversuchsfrei und einen Papierbon gibt es nicht: Wer sich im Salon „The Colored Cut" von Chris Denniger (35) und Melina Stog (29) die Haare schneiden lässt, ist nicht nur handwerklich gut aufgehoben, sondern tut gleichzeitig etwas für die Umwelt.

Die beiden jungen Gründer möchten mit ihrem Salon zu einer grüneren Welt beitragen. Das ist ihr Ziel, seit sie gemeinsam ihr Geschäft in Friedenau vor zweieinhalb Jahren eröffnet haben.

„Wir denken an die nächste Generation", begründet Chris Denniger das Engage-ment. „Gerade in der Friseurbranche gibt es einen hohen Ressourcenver-brauch", so Meisterin Melina Stog, ,da ist es umso wichtiger, Verantwortung zu übernehmen."

Eine ganze Reihe von Maßnahmen haben sie umgesetzt. Dabei wurden sie auch durch die Handwerkskammer Berlin im Rahmen des Nachhaltigkeits-checks 360° beraten (s. Interview u. Kas-ten).

Neben den Umhängen aus recycelten Plastikflaschen oder der papierlosen Bezahlung und Terminvergabe lassen Denniger und Stog die im Salon verwendeten Alufolien, Farbtuben und Haarspraydosen wiederverwerten. Dabei arbeiten sie mit dem Aluminium-Recycler Recfoils zusammen, der die gesammelten Abfälle praktischerwei-se direkt im Salon abholt. Auch achten Denniger und Stog stark auf den Stromverbrauch. Sie beziehen Öko-strom, alle Elektrogeräte haben einen guten Energieausweis.

Und während viele bei Nachhaltigkeit vor allem an die ökologische Dimension denken, ist es das Anliegen beider, ihren Salon auch sozialverträglich zu führen.

„Wir arbeiten mit einer nachhaltigen

Work-Life-Balance. Unsere wöchentliche Arbeitszeit besteht aus 35 Stunden", erklärt Melina Stog. Der Jahresurlaub liege bei 30 Tagen. „Somit halten wir die Krankentage gering, da es uns beruflich wie privat gut geht. 2023 hatten wir keinen einzigen Krankheitstag."

Mut brauche es schon für diese Verän-derungen, geben beide zu, aber „das sind letztlich alles kleine Schrauben, an denen man drehen kann", sagt Stog.

Man müsse natürlich etwas Zeit inves-tieren, um zu recherchieren, welche nachhaltigen Möglichkeiten es gibt, aber der Aufwand sei grundsätzlich ge-ringer, als viele es sich vorstellten.

Der Ertrag hingegen ist in jedem Fall groß. Viele Kund*innen kämen gerade wegen des hohen Nachhaltigkeitswer-tes in den Salon. „Das ist jeden Tag Thema hier im Salon", sagt Denniger. Und genau so wollen es die beiden. Denn nur so entsteht eine bessere Zukunft - für die Kundschaft, die Umwelt und die nächste Generation.


Text: Helena Golz

Handwerkskammer

„Alles anders"


Vor zweieinhalb Jahren haben Melina Stog und Chris-Ole Denniger in Berlin den Salon „The Colored Cut" eröffnet.

Nachhaltigkeit und Work-Life-Balance bestimmen ihr Konzept.

210 Quadratmeter im Lieblingskiez - Melina Stog und Chris-Ole Denniger können es kaum fassen, als ihnen der ehemalige Salon im Berliner Viertel Schöneberg-Friedenau angeboten wird. „Alles in uns schrie JA!", erinnern sie sich.

Das Jungunternehmer-Gespann greift sofort zu, krempelt mit Freunden und Familie die Armel hoch und gestaltet innerhalb von 14 Tagen die Räumlichkeiten nach eigenen Wünschen um.

Eine klare Raumeinteilung, schlichtes Mobiliar mit viel Holz, LED-Lampen und über 60 Grünpflanzen prägen das Bild. In guter Nachbarschaft von Wein- und Whiskeyhandlung, Leuchtenfachgeschäft, Supermarkt und Moschee bieten sie seit Januar 2022 klassische Fri-seurdienstleistungen ebenso an wie Freihand-technik, Balayage oder Haarverlängerung.

Vier-Tage-Woche als Ziel

Vor dem Sprung in die Selbstständigkeit machen sich Stog und Denniger viele Gedanken über ihren eigenen Salon. Unzufrieden mit vielem, was sie bei ihren Berliner Arbeitgebern und Lehrsalons erlebt haben, wollen sie „alles anders" machen. „The Colored Cut" symbolisiert den Schnitt mit ihrer Vergangenheit als schlecht bezahlte, wenig wertgeschätzte Angestellte. Der

35-jährige Geselle und die 29-jährige Meisterin setzen sich große Ziele: die nachhaltige Entwicklung des Salons durch ökologisches Handeln sowie ein ausgeglichenes Verhältnis von Arbeit und Freizeit.

Jahresurlaub auf der Website vermerkt Oberstes Gebot: eine faire Entlohnung. „Un-sere Arbeit ist das wert", sagt Stog. „Das müssen wir uns als Friseur*innen und den Kund*innen immer wieder klarmachen. Unser Image muss einfach besser werden." Selbstbewusst steigt das Jungunternehmer-Paar mit einer 35-Stun-den-Woche in die Selbstständigkeit ein, plant die Umsetzung der Vier-Tage-Woche und gibt sich 30 Tage Urlaub im Jahr. Diese Tage sind auf der Website des Salons einsehbar. Preislich liegt „The Colored Cut" im Berliner Mittelfeld.

Wovon sie als Chefs profitieren, soll auch für Mitarbeiter*innen gelten, die sie seit einiger Zeit suchen. Denn von acht Bedienplätzen können die zwei Geschäftspartner momentan nur vier auslasten. 19 Euro pro Stunde wollen sie in jedem Fall zahlen, je nach Qualifikation auch mehr. Bei Gesprächen stellen sie bisher allerdings fest: „Die meisten Friseure unterschätzen ihren eigenen Wert." Das wollen sie ändern.

Konsequente Online-Terminierung

Ihren Salon organisieren sie durchdacht: Von Anfang an setzen sie auf Online-Terminverein-barungen, Anrufe sind sehr selten. Nach einem Jahr analysieren sie Schwächen des Systems, fassen Dienstleistungen zusammen und vereinfachen dadurch die Terminvergabe. Vor Ort zählt das offene Gespräch. Alle Kund"innen bekommen immer einen Folgetermin angeboten. Die Mundpropaganda funktioniert gut, zu über 93 Prozent sind sie ausgelastet, arbeiten mit Warteliste. Mit einem Blick erfasst Denniger als IT-Spezialist im Duo die Zahl der Neukund"in-nen: 45 allein im Mai.

Ökologischen Fußabdruck verringern Bei ihren Produktpartnern setzt das Duo auf Unternehmen, die sich Nachhaltigkeit auf die Fahnen schreiben. Wo möglich, versuchen sie den ökologischen Fußabdruck des Salons zu verringern: Farbtuben, Spraydosen und Alufolien werden gesammelt und über Partner wiederverwertet. Die Umhänge sind aus recycelten Plastikflaschen, Föhne und Waschmaschine haben ein sehr gutes Energielabel, und die Außenbeleuchtung wird nach Ladenschluss abgeschaltet. Statt gedruckter gibt es elektronische Share-Magazine, statt Kuhmilch Pflanzendrinks in den Bio-Kaffee. Jeden Handgriff haben Stog und Denniger auf seine Um-weltauswirkungen hin überprüft, optimieren ständig ihre Energiebilanz. Ob sich das finanziell rechnet, ist nachrangig. Wichtig ist beiden die ökologische Auswirkung ihres Tuns- privat wie im Salon.

So viel Engagement fällt auch anderen auf: Im Juni wurde „The Colored Cut" für den „Green Buddy Award" nominiert. Diesen vergibt der Berliner Bezirk Schöneberg-Tempelhof an Unternehmen, bei denen Ökologie und Nachhaltigkeit die Firmenphilosophie bestimmen.

Das zeigt Stog und Denniger, dass sie auf dem richtigen Weg sind. Und bei ihren Kund"innen kommt der Einsatz in jedem Fall gut an.


Text: Elke Reichenbach